Der chemische Prozess des Verliebtseins
bewirkt das Freisetzen verschiedener Botenstoffe: Dopamin bei Euphorie;
Endorphin bei rauschartigen Glücksgefühlen; Cortisol bei hohem
Wohlbefinden; und Adrenalin bei Aufregung. Mit der Steigerung der
sexuellen Lust sinkt der Testosteron-Spiegel bei Männern, während er bei
Frauen steigt. In Augenblicken der Erregung werden auch Pheromone
(Sexualduftstoffe) vermehrt produziert. Umgekehrt kann die reduzierte
Produktion dieser Botenstoffe – zum Beispiel in Zeiten, in denen man
sich vom geliebten Partner getrennt fühlt, als schmerzhaft empfunden
werden. Der Zustand des Verliebtseins senkt allerdings den
Serotonin-Spiegel stark herab, was gewisse Ähnlichkeiten mit psychischen
Erkrankungen – bis hin zum Zustand der „Unzurechnungsfähigkeit“ der
Verliebten – bewirken kann, in dem sie sich leichter zu irrationalen
Handlungen hinreißen lassen, weil nun ihre Hemmschwellen geringer sind.
Nach Aussage der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewöhne sich der Körper nach einigen
Monaten an die veränderte Ausschüttung der chemischen Botenstoffe (laut
WHO maximal nach 24 bis 36 Monaten), wodurch das Gehirn ganz allmählich
diesen sensorischen „Rauschzustand“ des Verliebtseins beende. Diesem
Konzept einer zwingenden biologischen Vorherbestimmung der Liebe durch
bestimmte chemisch bewirkte körperliche Reaktionen möchten viele
Menschen in dieser Ausschließlichkeit nicht folgen. Sie empfinden diese
naturwissenschaftliche Reduktion der seelischen und geistigen Qualitäten
der Liebe auf bloß körperliche Zusammenhänge als Einengung und höchst
unzureichende Beschreibung ihres inneren Erlebens. „Liebe ist Berührung –
innerlich wie äußerlich.“ (Irina Rauthmann)
Tatsächlich können diese chemischen
Prozesse vielleicht etwas über die Wirkung von Verliebtheit auf den
Körper aussagen – nicht aber über die Wirkung der Liebe auf Seele und
Geist der Liebenden – und auch nicht über die qualitativen Veränderungen
ihrer Liebe im Laufe der Zeit: Da mag auch bei einer Abnahme des ersten
feurigen Liebebrennens beispielsweise eine Stärkung und Vertiefung des
Vertrauens wachsen. Man möchte ja schließlich nicht dauerhaft
„unzurechnungsfähig“ sein.
Platon prägte die abendländische
Vorstellungen von dem Begriff „Liebe“ mit seiner Unterteilung in die
drei Begrifflichkeiten Éros, Philia und Agape. Das englische Wort
„Charity“ (`Char´= Herz / `rite´= Ritus) trifft die Bedeutung des
griechischen Wortes „Agapé“ als „Ritus des Herzens“ wesentlich
treffender als das deutsche Wort „Wohltätigkeit“. Tatsächlich aber ist
diese Teilung der Liebe, in `Eros´ (sexuelle Liebe), `Philos´
(Freundesliebe) und `Agape´ (göttliche Liebe) wie Platon sie vor etwa
2400 Jahren vollzog, nicht wirklich wahr. Denn Liebe lässt sich nicht
teilen. Sie ist unteilbar. Diese Erhebung und Glorifizierung des
seelisch-geistigen Aspektes der Liebe und die Abwertung der
leiblich-erotischen Liebe (die auch von vielen Kirchen gepredigt wird)
ist ein bloßes Verstandeskonstrukt, das mehr hindert, als dass es
nützlich wäre, denn in Wirklichkeit geht es darum, dass die „reine,
spirituelle Liebe“ sich aus den lichten Höhen des Seins in die
„Niederungen des leiblich-erotischen Seins“ herabsenkt, um diese zu
transzendieren.
Der griechische „Gott“ Eros, den die
Römer Amor nannten, war das Sinnbild für die sinnlich-erotische Liebe,
das körperliche Begehren, die geschlechtliche Leidenschaft. Die
Sexualität ist das ewig irdische Wechselspiel der Pole: das Spiel des
Lebens, bei dem sich die Partner in der gegensätzlichen Sichtweise des
Anderen spiegeln. Natürlich ist der Mensch als Mann nicht nur männlich –
und als Frau nicht nur weiblich: Jeder trägt beide Geschlechter in
sich, die in jedem unterschiedlich gewichtet sind und sich durch die
Liebe mit dem Partner einzigartig zu einer größeren Einheit erweitern
und verbinden. (So wie schon die alten Chinesen im I Ging in der
Darstellung der beiden Pole Yin und Yang die weiblich-männliche Dualität
als größere Einheit darstellten. Im Schwarzen ist das Weiße – und im
Weißen keimhaft das Schwarze enthalten).
Der Mensch in seinem
Sich-als-Mann-oder-Frau-Erleben ist die Triebfeder der bipolaren Welt.
Wer jedoch ausschließlich den bloßen Sex – ohne innere Wesensverbindung
mit den höheren Bewusstseinsebenen des Wesens – sucht, läuft Gefahr,
dass er das vergleichsweise banale Symbol der körperlichen Handlung, die
auch im Tierreich überall possierlich und oft nicht ohne eine bestimmte
Situationskomik zu beobachten ist, für das eigentliche Ziel dieses
Aktes hält. Je mehr man aber den Gelüsten des frivolen Eros ohne
Verbindung mit seinen höheren Bewusstseinssphären Gehör schenkt, umso
mehr wird er zum Dämon, der solche Verehrung bis zur bitteren Neige
beanspruchen wird.
Doch für eine dauerhafte Verbindung wird
der Eros, der heute „Sex“ genannt wird, als solcher nicht genügen, ist
er doch (neben seiner Funktion der körperlichen Fortpflanzung) nur das
Symbol für jene höhere Vereinigung der Herzen. Letztlich kann er nur
dann wirklich erfüllend sein, wenn auch die Bewusstseinszentren oberhalb
des Vitals – das Mental und vor allem das Herz beider Wesen – in
inniger Verbindung sind. Dann wird der Akt zum Gleichnis für etwas, das
über die natürliche Paarung, mit dem die Natur den Fortbestand der Arten
auf die ein oder andere Weise überall im Tier- und Pflanzenreich
organisiert, weit hinausgeht: Die Liebe erhebt und transzendiert das
vereinte Wesen.
Dann wird die körperliche Vereinigung
von Mann und Frau zum symbolischen Sinnbild für eine Einswerdung, die
jenseits der bipolaren Gespaltenheit dieser Welt, in der alles zwei
Seiten hat, von einer höheren Vereinigung zeugt: „Unio Mystica“ – die
Vereinigung zweier Herzen zu einem größeren Herz, die Vereinigung zweier
in sich vollständiger Universen zu einem unendlich weiteren Kosmos –
und die Vereinigung des Menschen mit Gott.
Das, was über Liebe zu sagen ist, ist
mit dem Kopf in Worte übersetzt – und somit bar der eigentlichen Kraft
der Liebe: der Energie der Gefühle. Denn über Liebe kann man nicht reden
– sie will gel(i)ebt sein. Die Sprache des Herzens kennt da freilich
noch ganz andere Dimensionen des Verstehens. Denn:
„Bevor der Verstand sich entschließt, einen Schritt zu tun, hat die Liebe den siebenten Himmel erreicht.“ (Dschelal ed-Din Rumi )
Die Freude des Sich-geliebt-Empfindens wird nur von einem Gefühl noch übertroffen: zu lieben, denn dies ist göttlich.
http://www.harmonic21.org/die-geschlechtliche-vereinigung/
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