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Thứ Tư, 25 tháng 1, 2017

Das amerikanische Trauma

  Von Sebastian Moll
Keiner kommt mit heiler Haut davon: Die „Grunts“ von der 173. Airborne in Dak To im Jahr 1968.  Foto: dpa
Mit dem Vietnam-Krieg, der vor 40 Jahre zu Ende ging, machten sich Skepsis und Zynismus in den USA breit. Amerika vor Vietnam war ein weitestgehend geeintes Land. Der Krieg änderte alles.
Bis vor zehn Jahren haben sie zum Stadtbild von New York gehört, die zerzausten Gestalten in Armeejacken, die in ihren Rollstühlen durch U-Bahnhöfe irren und mit Styroporbechern um Geld betteln – Figuren, die direkt dem Oliver Stone-Streifen „Born on the Fourth of July“ zu entspringen schienen. Doch heute sind sie selten geworden. Die Vietnam-Veteranen sterben aus auf den Straßen Amerikas, sie sind alt geworden. Die nächste Generation derer, die ein vermasselter Konflikt in einem fernen Land an Leib und Seele verkrüppelt wieder ausgespuckt hat, hat ihren Platz eingenommen. Heute sind es die Irak- und Afghanistan-Veteranen, die den Bordstein des Times Square bevölkern.

Der Vietnam-Krieg ist seit dem 11. September 2001 ein wenig aus dem Bewusstsein des Landes entrückt. Als Material für Kriegskino etwa schaut man heute eher in den Nahen Osten, wo die jüngeren Erfolgsstreifen „Zero Dark Thirty“ und „American Sniper“ spielen. Und doch ist das Trauma des Vietnam-Krieges tief in die amerikanische Seele eingebrannt.
Es gibt wohl kaum ein Ereignis der vergangenen 70 Jahre, dass so profund die USA verändert hat, wie dieser Krieg. „Der 30. April 1975“, schrieb das Polit-Magazin „The Nation“ in dieser Woche anlässlich des 40. Jahrestages der Evakuierung der Saigoner Botschaft, „ist in vielerlei Hinsicht für Amerika bedeutsamer als Pearl Harbor oder der 11. September. Das Datum hat von Grund auf geändert, wie Amerika sich selbst empfindet und über sich selbst nachdenkt.“

Das Trauma vom 30. April 1975

Amerika vor Vietnam war ein weitestgehend geeintes Land. Der Zweite Weltkrieg hatte ein unerschütterliches nationales Selbstbewusstsein als moralischer und politischer Anführer der freien Welt geprägt. Der Nachkriegswohlstand hatte einen breiten Wohlstand erzeugt. Das Gros der Amerikaner war zufrieden. Mit Vietnam änderte sich jedoch alles. Das Vertrauen in das eigene Land und die eigene Regierung, das bis dahin beinahe unerschütterlich erschien, wurde unwiederbringlich zerstört.
Als schillerndes Symbol dieser Desintegration stehen bis heute die Pentagon Papers, jener interne Bericht des Verteidigungsministeriums über den Stand des Vietnam-Kriegs, der 1971 in die Hände der „New York Times“ fiel. Die Pentagon Papers enthüllten, dass die amerikanische Regierung die eigene Bevölkerung systematisch angelogen hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten nach Umfragen 76 Prozent der Amerikaner der Regierung getraut. Nach 1971 fiel diese Rate dramatisch ab, verstärkt noch durch den Watergate-Skandal im Jahr 1974. Das geeinte Amerika begann zu zerbröckeln, Skepsis und Zynismus machten sich breit.
Die amerikanische Psyche war angeschlagen. Wirklich verheerend war jedoch erst das Trauma vom 30. April 1975. Für viele Amerikaner war es unfassbar, dass Amerika trotz militärischer und politischer Größe – und vor allem trotz der vermeintlichen moralischen und ideologischen Überlegenheit – diese Niederlage einstecken musste.


Die späteren Kameraden in Helmand, 2010.  Foto: rtr
Am unmittelbarsten war die veränderte Gefühlslage des Landes in der Pop-Kultur zu spüren. So schrieb die legendäre Filmkritikerin Pauline Kael in ihrem Essay „After Innocence“ – Nach der Unschuld: „Der Vietnam-Krieg wird bislang noch kaum auf der Leinwand gezeigt, aber man spürt ihn überall. Es herrscht eine überzeugungslose Stimmung, eine Abwesenheit gemeinsamer Werte. Brutalität wird hingenommen, Helden glauben an nichts und tun nicht einmal so.“
Laut dem Film-Historiker Peter Biskind war die gesamte Hollywood-Produktion der 70er Jahre von dieser Stimmung geprägt. Gleich ob es „Taxi Driver“ oder „Dirty Harry“ war, „Easy Rider“ oder „Raging Bull“ – durchgehendes Thema war, dass man von der Regierung nichts zu erhoffen hat, dass man die Dinge in die eigenen Hände nehmen muss. Filme wie „Der Pate“, „Chinatown“ oder „Midnight Cowboy“ hatten eine zutiefst zynische Grundstimmung; eine Stimmung, die im ultimativen Anti-Vietnam-Film „Deerhunter“ von 1978 ihren Höhepunkt fand. Einen ähnlichen Effekt hatte der Krieg auf die Pop-Musik. Jimi Hendrix’ „Star Spangled Banner“ ist sicher das deutlichste Beispiel für den desillusionierten, zynischen Ton, der um sich griff. Aber auch die Musik von Jefferson Airplane, Crosby, Stills and Nash, Bob Dylan sowie Dutzenden anderer waren unmissverständlich von Vietnam beeinflusst. „Es war damals völlig unmöglich, nicht darauf zu reagieren“, erinnert sich David Crosby in dem Buch „Stand and Be Counted“ über den Zusammenhang von Pop und Politik.
Figuren wie Hendrix, Jim Morrison oder Dylan waren ein neuer Typus von Pop-Ikonen, „entfremdete Anti-Helden, die seither immer wieder in der US-Popkultur auftauchen“, wie der Feuilletonist Patrick Goldstein in der „LA Times“ schrieb. So hat Amerika Vietnam nicht zuletzt auch Tupac Shakur und Kurt Cobain zu verdanken.
Politisch markierte Vietnam den Startschuss zu jener unüberbrückbaren ideologischen Teilung, die bis heute das Land plagt und die nicht zuletzt Obama das Regieren beinahe unmöglich macht. Der Abzug aus Vietnam befeuerte die Gegenkultur in ihrem Widerstand gegen Militarismus und Imperialismus, die amerikanischen Konservativen hingegen glauben bis heute, dass der Vietnam-Krieg einfach nur zu halbherzig geführt wurde.
So benutzte das „Wall Street Journal“ in dieser Woche das Saigon-Jubiläum, um erneut Obamas Außenpolitik zu kritisieren. Die Lektion aus Vietnam, so der Kolumnist William McGurn, müsse doch sein, Konflikte in Übersee konsequent und mit allen Mitteln durchzuziehen. Es ist eine Debatte, die sich seit 1975 nicht geändert hat. So, wie vieles in den USA seither festgefahren ist. Und eine Besserung ist kaum in Sicht.




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